ADHS und Berufswahl

Damit der Übergang von der Schule zur Ausbildung gelingt, können Sie Ihr Kind bereits lange vor dem Schulabschluss in vielerlei Hinsicht unterstützen. Denn gerade die Phase der Berufsorientierung schafft eine wichtige Grundlage für einen erfolgreichen Ausbildungsabschluss. Und das gilt nicht nur für Jugendliche mit ADHS, sondern für alle jungen Menschen. Erfahren Sie hier, worauf Sie dabei achten müssen, und was Sie selbst tun können.


Bei der Berufswahl ist es für junge Menschen mit ADHS noch wichtiger als für andere Jugendliche, die eigenen Stärken und Interessen zu kennen. Wahrscheinlich haben Sie auch schon festgestellt, dass sich Ihr Kind stundenlang mit etwas beschäftigen kann, was es interessiert, es jedoch bei „uninteressanten“ Tätigkeiten sehr schnell abgelenkt ist und es an Durchhaltevermögen und Motivation mangelt. Eine Tätigkeit bzw. ein Berufsfeld, das den eigenen Interessen entspricht, ist deshalb eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Ausbildung. Eine andere ist, dass die Stärken Ihres Kindes zur gewählten Ausbildung bzw. dem Ausbildungsberuf passen sollten. Unterstützen Sie Ihr Kind dabei, sich mit den eigenen Stärken und Interessen im Hinblick auf die Berufswahl auseinanderzusetzen. Berufseignungstests und intensive Gespräche können dabei helfen, geeignete Berufsziele oder Berufsfelder für Ihr Kind zu finden. Einen überschaubaren Stärken- und Interessentest bieten wir auf dieser Seite im Bereich Berufswahl an. Das Online-Portal Berufe-Universum der Agentur für Arbeit bietet ebenfalls einen umfangreichen Berufseignungstest mit Berufsempfehlungen. Diesen und andere Links zum Thema Berufsorientierung und Berufseignungstest haben wir unter Nützliche Links für Sie und Ihr Kind zusammengestellt.

An jeder Schule gibt einen Berufsberater der Agentur für Arbeit, der Ihr Ansprechpartner in Sachen Berufswahl Ihres Kindes ist. Er bietet auch Berufsorientierungsveranstaltungen in den Klassen an. Darüber hinaus sollte Ihr Kind auf jeden Fall ein individuelles Beratungsgespräch führen – wenn es einverstanden ist gemeinsam mit Ihnen. Nehmen Sie dafür Kontakt mit dem zuständigen Berufsberater Ihrer Agentur für Arbeit auf. Für den Fall, dass Ihr Kind als Rehabilitand anerkannt ist, berät Sie ein Reha-Berater der Agentur für Arbeit. Darüber hinaus lohnt es sich, das Berufsinformationszentrum (BIZ) Ihrer Agentur für Arbeit zu besuchen. In der Mediathek des BIZ können Sie sich gemeinsam mit Ihrem Kind über verschiedene Berufe informieren. Zusätzlich kann Ihr Kind dort auch computergestützte Eignungs- und Interessentests machen.

Das Schülerpraktikum bietet Ihrem Kind eine erste Möglichkeit, in die Arbeitswelt und in ein Berufsfeld hineinzuschnuppern. Je nach Schulform und Bundesland findet das mehrtägige Schülerpraktikum meist zwischen der 7. und 10. Klasse statt und ist eine Pflichtveranstaltung. Erkundigen Sie sich am besten beim Klassenlehrer Ihres Kindes, wann das Praktikum vorgesehen ist und wie es organisiert ist. Viele Schulen pflegen Kontakte zu ausbildenden Betrieben und bieten den Schülern Listen mit freien Praktikumsplätzen an. Falls für Ihr Kind nicht das Richtige dabei ist oder seine Schule keine Plätze anbietet, heißt es selbst aktiv werden! Überlegen Sie einmal, welche/r Ihrer Freunde, Bekannten oder Verwandten vielleicht in einem für Ihr Kind interessanten Umfeld arbeitet. Oft ist es am einfachsten, über persönliche Kontakte einen Praktikumsplatz zu finden. Ansonsten können Sie Ihr Kind auch bei der Online-Suche in einer der zahlreichen Praktikumsbörsen im Internet unterstützen. Weitere Informationen finden Sie unter Nützliche Links.

Raten Sie Ihrem Kind dazu, neben dem Schülerpraktikum ein weiteres, freiwilliges Ferienpraktikum zu machen, um z. B. seinen Berufswunsch zu überprüfen oder neue Ideen für Berufsziele zu gewinnen. Auch hier können Sie natürlich private Kontakte nutzen oder Ihr Kind dabei unterstützen, via Internet einen Praktikumsplatz zu finden, z. B. über eine Praktikumsbörse oder direkt bei einem interessanten Betrieb oder Unternehmen. Falls Ihr Kind eine schriftliche Bewerbung anfertigt, checken Sie diese unbedingt gemeinsam, bevor sie in die Post geht oder per E-Mail versendet wird. Wichtig: Ein freiwilliges Ferienpraktikum ist, anders als das Schülerpraktikum, keine Schulveranstaltung, bei der Ihr Kind über die Schule versichert ist. Klären Sie deshalb rechtzeitig vor dem Praktikum, ob Ihr Kind über den Praktikumsbetrieb versichert ist oder ob über Ihre bestehende Haftpflichtversicherung Versicherungsschutz besteht. Ansonsten müssen Sie ggf. eine Haftpflichtversicherung für Ihr Kind abschließen.

Den „idealen Beruf“ für ADHSler gibt es genauso wenig wie den „unmöglichen Beruf“. Persönliche Stärken und Interessen sind, wie bereits erwähnt, die Basis für eine erfolgreiche Ausbildung. Stimmt die Motivation und passt das Berufsziel zu den physischen wie intellektuellen Fähigkeiten des Jugendlichen, ist alles möglich. Nichtsdestotrotz gibt es natürlich Berufsfelder und Tätigkeiten, mit denen sich ADHSler eher schwer tun. Dazu gehören monotone Tätigkeiten, die wenig Abwechslung bieten, wie z. B. vieles, was mit Ordnen und Sortieren zu tun hat. Insbesondere beim hyperaktiven Typ sind Tätigkeiten schwierig, die langes Stillsitzen, ohne die Möglichkeit sich zu bewegen, erfordern. Vielen hyperaktiven ADHSlern kommt entsprechend eine handwerkliche Ausbildung entgegen, in der sie sich viel bewegen und auspowern können. Aber auch Berufe, in denen Ideenreichtum und Flexibilität gefragt sind, liegen vielen ADHSlern. Aufgrund ihrer Hilfsbereitschaft und Offenheit können sie auch in sozialen Berufen erfolgreich sein. Sprechen Sie mit Ihrem Kind über seine Berufswünsche und diskutieren Sie gemeinsam, was passen könnte und dabei realistisch ist. Auch ein Gespräch mit einem Berufsberater – eventuell gemeinsam mit Ihnen – kann dabei hilfreich sein.

Für Jugendliche und junge Erwachsene mit ADHS und anderen Leistungseinschränkungen sehen Bund und Länder Hilfen vor, die ihnen Zugang zu Ausbildungsmöglichkeiten erleichtern. Hierbei kann es sich um berufsvorbereitende Maßnahmen, ausbildungsbegleitende Hilfen oder die Möglichkeit der Förderung einer Ausbildung handeln. Sollten Sie vermuten, dass Ihr Kind ohne zusätzliche Unterstützung nicht die Ausbildungsreife erlangen oder einen Ausbildungsplatz finden bzw. erfolgreich abschließen wird, sollten Sie klären, auf welche Förderung Ihr Kind einen Anspruch hat. Beim Erstgespräch ermittelt der zuständige Berufsberater Ihrer Agentur für Arbeit gemeinsam mit Ihrem Kind und – wenn gewünscht – auch mit Ihnen, welche Unterstützungsangebote sinnvoll sind und leitet diese in die Wege. Bringen Sie dazu unbedingt alle vorliegenden Atteste und Gutachten mit, die den Förderbedarf Ihres Kindes nahelegen. Der Berufsberater wird bei Bedarf arbeitsmedizinische bzw. berufspsychologische Gutachten durch den Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit erstellen lassen.  Die dort tätigen Ärzte können Hinweise auf einen möglichen Rehabilitationsbedarf konkretisieren. Falls dabei ein Rehabiliationsbedarf festgestellt wird, wird Ihr Kind im Anschluss durch das Reha-Team der Agentur für Arbeit betreut. Die Beratungsfachkräfte des Reha-Teams sind speziell ausgebildet und kennen sich im richtigen Umgang mit Behinderungen aus.

Bevor Ihr Kind eine Berufsausbildung startet, kann es sinnvoll sein, seine ADHS-Medikation (sofern vorhanden) vom zuständigen Arzt überprüfen zu lassen. Auf keinen Fall sollte Ihr Kind seine Medikamente einfach absetzen. Sprechen Sie den betreuenden Arzt Ihres Kindes auch auf das Thema Medikamenteneinnahme und mögliche Einschränkungen beim Führen von Maschinen oder Kraftfahrzeugen an. Wichtig: In der Ein- oder Umstellungsphase sowie in der Phase des Ausschleichens sollte Ihr Kind kein Kraftfahrzeug und keine Maschine führen.


Jugendliche mit ADHS bei der Berufswahl unterstützen

Auf Basis ihrer Erfahrungen als Lehrerin erklärt Simone Fleischmann im Video-Interview, wie Eltern ihre Kinder bei der Berufswahl unterstützen können. Simone Fleischmann ist heute Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands.


 
Wie findet man einen Beruf, der zu den eigenen Stärken passt? Margit Tütje-Schlicker hat selbst ein Kind mit ADHS und gibt im Interview Tipps, wie Eltern ihre Kinder bei der Berufswahl unterstützen können.



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